Freitag, 11. Dezember 2009

Streik, eine gute Sache?

Halle sieht den Streik zum Teil anders als ganz Deutschland. Natürlich wird in Halle auch gestreikt, aber nur von einer Minderheit, über deren Beweggründe ich mir nicht ganz sicher bin.
Meines Erachtens, und der des Großteil meiner Kommilitonen, ist ein Streik der verkehrte Weg irgendetwas zu erreichen. Eventuell als allerletzten Weg, aber nicht früher. Ich habe schon in der Schule gelernt, das ein Streik der Firma schadet. Aber wem wird denn an der Uni geschadet? Den Professoren? Eher nicht. Der Universität? Auch unwahrscheinlich, Hauptsache die Quoten stimmen.
Wir schaden uns doch selber. Denn obwohl gestreikt wird, müssen wir am Ende Klausuren oder Hausarbeiten schreiben. In den meisten Fächern im Bachelor ist Anwesenheitspflicht. Wer häufiger als 2mal fehlt ist raus und darf den Kurs ein ander mal nachholen. Gut, wessen Eltern Geld haben, die können das machen, aber wer Bafög abhängig ist, kann diesen Weg auch nicht nehmen.
Was wird bestreikt? In Halle weiß ich es nicht ganz genau, das sind alles so schwammige Aussagen, wie „Wie müssen soviel tun“, „Verschulung“ und so weiter. Ja, natürlich müssen wir viel tun, das hier ist keine Schule mehr. Wir wollen doch was lernen, und das möglichst schnell, damit wir schnell arbeiten können. Wer ernsthaft studiert hat eigentlich kein Problem damit?

Verschulung: Es ist für viele hart überall anwesend zu sein und gleichzeitig alles vorgesehenen Kurse zu belegen, wo doch jedes Fach seinen Stundenplan selber aufstellt. Aber da lassen die Professoren auch sehr gut mit sich reden. Ich persönlich halte die Anwesenheitspflicht für wichtig und notwendig, gerade in einer Sprache kann man nicht die Hälfte fehlen. Keiner kann eine Sprache aus einem Buch lernen. Aber auch in den restlichen Fächern halte ich es für äußerst sinnvoll. Das bereitet auch für das Berufsleben vor. Dort muss man auch anwesend sein. Natürlich müssen wir lernen uns zu organisieren, aber trotzdem wird im späteren Leben höchstwahrscheinlich Rahmen vorhanden sein, an dem wir uns halten müssen.
Ich will nicht sagen, dass ich das Bachelorsystem für das beste System halte. Deutschland ist nur äußerst ungeschickt dabei, es zu verwirklichen. Es ist nicht überdacht, viele Fächer müssen nicht was sie wie zu erfüllen haben, die Studenten kommen dadurch auch nicht mit der Regelstudienzeit klar, müssen es jedoch, weil sie sonst keine Gelder bekommen.
Dazu kommt, dass die Universitätsstrukturen nicht dafür ausgerichtet sind und es an allen Ecken uns Kanten an Materialien, Dozenten und vor allem Gelder fehlt. Aber selbst dafür kann die Universität nicht, sie sind selber von den Geldern des Landes und Staates abhängig. Sofort kann man nichts daran ändern.
In der Japanologie schlagen wir uns mit überlaufenden Sprachkursen herum und versuchen die entsprechenden Personen zu beeinflussen. Das ist ein mühsamer aber offener Weg. Leider sind, Einzelpersonen die Hände gebunden. Niemand kann aus reiner Sympathie jemanden etwas zusprechen.
Wir sind an den Rektor und dem Prorekor gegangen, in einem netten Gespräch bei Kaffee und haben bewirkt, dass eine Kapazitätenprüfung gemacht wird. Dazu werde Richtlinien mit den Daten der momentanen Situation verglichen. Natürlich weichen diese zum Teil stark von der Realität ab, sodass wir darum kämpfen werden, dass die Rektoren auch bitte persönlich an dem Unterricht teilnehmen. Sollte sich bestätigen, dass wir überlastet sind, werden Maßnahmen ergriffen: Einstellung weiterer Dozenten oder NC-Schließung, also ein Semester ohne Neuzugänge, sodass sich die Dozenten besser auf die vorhandenen Studenten konzentrieren können.
Dieser Weg wird länger dauern als erzwungene oder eingeklagte Stellen, aber er ist beständiger.
Das Problem in den momentanen Streiks ist, dass die meisten Studenten bisher keinen anderen Weg über Gremien und Gesprächen versucht haben ihrer Standpunkt zu erklären, sondern glich den radikalen Weg gehen.
Der Grund dafür mag sein, dass wir Bachelor „nur“ 3 Jahre studieren. Den Erstsemestern ist alles erst einmal egal, weil sie noch nichts von den Problemen mitbekommen haben und den Fünftsemestern ist alles egal, weil sie eh bald weg sind. Also liegt das Gewicht bei den Drittsemestern, die die Probleme kennen und noch eine schnelle Lösung haben wollen, damit sie selber davon profitieren können. Also muss es schnell gehen und das kann kaum über den „rechtmäßigen“ Weg gemacht werden.
Die Leute aus Halle, die ich kenne, streiken, weil Streik gleich Party ist. Es werden Ansagen gemacht wie „Kommt alle zur Vollversammlung, da besprechen wir den Streikplan und danach Grillen wir mit 'ner Flasche Bier!“. Wenn man sich dann die Besetzungen ansieht, dann feiern die Leute die Nacht durch und haben mindestens eine Kiste Bier pro 3 Mann dabei.

Betrachtet man dann den Streiks zur Bildungskonferenz am 17.11.09 in Leipzig, kann ich die Demonstranten verstehen es ging in dem Fall darum, dass selbst ernannte Studentenvetreter sich für Studiengebühren und Master-NC-Beschränkungen stark machen wollten. Bedenklich ist hier, dass keiner diese Vertreter gewählt hat und niemand diese Entscheidungen haben will. Also halte ich das Starkmachen hier für gerechtfertigt. Allerdings sind nur ~5.000 Studenten von 2,5 Mio. deutschlandweit in Leipzig auf die Straße gegangen. Wenn es hart auf hart kommt, dann fehlen die großen Streiker. (Ich gebe zu, ich war auch nicht vor Ort. Ich war in Halle und habe für mein Fach gekämpft.)
Ich möchte nochmal betonen, dass das hier größtenteils meine Ansicht ist. Ich habe viele die meiner Meinung sind, aber wenn wir sie den Streikern gegenüber nennen, werden wir geschnitten. Hört sich böse an, aber das war letzten Sommer wirklich der Fall. Jeder soll machen was er will, sollte aber auch verstehen, warum andere es nicht tun. Ich verurteile die Streiks nicht grundsätzlich, man sollte nur abwägen, ab es wirklich sinnvoll ist.

http://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2009/12/animes-und-demonstrationen-japanologie-und-die-proteste-an-der-universitat-halle.php

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