Freitag, 18. März 2011

Shô ga nai – Eine Woche nach dem Beben in Sicherheit

Es ist jetzt eine Woche her, dass wir in Tokyo das Erdbeben mitbekommen haben. Ich denke ich brauche die Tatsachen, das Fukushima mit seinen vier Reaktoren kurz vor dem GAU steht nicht unbedingt weiter vertiefen.
Ich will nur unsere „Flucht“ unsere Erlebnisse beschreiben.
Das Beben am Freitag und der Tsunami waren in keinster Weise gefährlich für uns, meines Erachtens ist Tokyo nicht irgendwo wirklich beschädigt und auch das Wasser ist weit genug entfernt. Das Telefonat mit meiner Mutter hat auch mein Eltern beruhigt, aber am Samstag kam dann die Neuigkeit das es arge Probleme in Fukushima, Werk I., gibt. Tabea hat mir ihrer Freundin entschlossen schnell zu fliehen und ist am Sonntag aufgebrochen. Wir verbliebenen vier Mädels, Nicole, Sophia und ich im Wohnheim und Caroline bei ihrem Freund, wollten ausharren. Es erschien uns in keinster Weise bedrohlich. Auch die Franzosen sind soweit angehalten worden in Japan zu bleiben.
Abends hatte ich noch ein Gespräch mit beiden meiner Eltern per Skype, und das war einer der Momente, dich mich gebrochen haben. Beide meiner Elternteile war in Panik, hätte ich es gesehen, hätten sie mich bekniet zurückzukehren, aber ich hat sich in mir gesperrt. Ich wollte nicht. Ich kann das alles doch nicht zurücklassen, was ich hier aufgebaut habe, auch wenn es vergleichsweise wenig ist. Die Tränen meiner Eltern haben mich gebrochen, ich habe angefangen zu weinen und ja, ich wäre bereit gewesen in ein Flugzeug zu springen. Aber das Herz hat NEIN! geschrien.
Ich habe um eine Pause gebeten um mit den Mädels zu diskutieren, wir bewegen uns nur in der geschlossenen Gruppe. An sich waren sie auch der Meinung, dass wir bleiben, aber wir haben uns auf eine Diskussion nächsten Tag geeinigt, so schnell kommen wir eh nicht aus dem Land. Ich habe Yo weinend angerufen er möge bitte zu mir kommen und kurz zur Seite stehen. Er kam sofort. Und er ist bisher (neben meiner Familie) der Einzige dem ich es soweit erlaubt habe mich wirklich am Boden zerstört zu sehen und mich auch trösten zu dürfen, ich war fertig.
Ich habe ihn gebeten mir beim Skyperückruf an meine Eltern nur Seite zu sitzen und er hat es für mich getan. Damit konnte ich meinen Eltern sagen, dass wir am nächsten Tag, Sonntag, nochmals eingehend darüber sprechen werden und einen Entschluss fassen werden. Momentan, so konnte ich es ihnen versichern, war ich ja in Sicherheit.

Mit den Phantomnachbeben im Körper haben wir die Nacht überstanden und auf Anraten des Professors sind wir Vorräte einkaufen gegangen, weil ein nächtlicher Stromausfall gemeldet wurde. Wir haben gekocht, Nachrichten verfolgt und besprochen was nun zu tun ist. Wir haben uns geeinigt, festen Herzens, zu bleiben. Allerdings haben wir uns noch einräumt, das wir am nächsten Tag in der Uni ein Gespräch suchen um einen Rat der „offiziellen“ Seite einzuholen.
Es ist ja nicht nur das Herz das in Tokyo ist, auch die Kosten des Fluges sind nicht so unbedingt tragbar, man hört von Flugpreisen in Höhe von 2000€.
Ich habe schweren Herzens und weinend meinen Eltern meinen Entschluss gemailt: ich will bleiben, ABER wir warten das Uni-Gespräch ab.
Natürlich musste meine Mutter anrufen, da ich die ganze Zeit bei Skype online war um alle Deutschen zu beruhigen (ich danke wirklich allen, dass ihr euch Sorgen gemacht habt) und das Gespräch eskalierte. Wir haben uns beide weinend angeschrien und haben es unausgesprochen beendet.
Da wir die Mädchen im Wohnheim alle fertig waren aufgrund der Gespräch mit den Eltern, sind wir in das Studierzimmer rum uns abzulenken. Auch Yo sollte dazu kommen. Da hat auch alle soweit funktioniert, bis er dann rein stürmte und sagte, das ihn seine Botschaft angerufen hat, er soll jetzt sofort Tokyo verlassen. Es sei nicht mehr sicher. Yo's Panik in den Augen und die Tatsache das Frankreich, der Staat der seine Landsleute in Japan haben will, ihn aus der Stadt ruft, hat uns Angst gemacht. Auch die Mail von Caro, als ich ihr das erzählt hab, dass ein neues Erdbeben in Tokyo mit einer Stärke von 7 angekündigt worden ist, hat uns dann zu dem Entschluss gebracht Flüge zu buchen.
Erdbeben allein: kein Problem, aber Erdbeben und Reaktoren die nicht kontrolliert werden können: ungut.
Sofort haben wir Flüge heraus gesucht und auch Caro Bescheid gedacht das wir abhauen. Da ihr Freund keinen Pass hat, war ihr Plan in den Süden zu gehen. Als wir dann einen guten Flug (den Luxus uns 1000€ zu sparen haben wir uns gegönnt) gefunden haben, kam ein Anruf und Caro sagte unter Tränen, dass sie mitkommt. Kein Ding, wird mit gebucht. Sophia konnte es glücklicherweise per Kreditkarte bezahlen...
Ich bin schnell raus und wollte zu Yo um zu erzählen, dass wir einen Flug haben, da steht er bereits mit gepackten Koffern im Innenhof. Seine Familie hat ihre Macht genutzt und er soll SOFORT ein Taxi nehmen und abhauen. Das hat mich getroffen. Mein bester Kumpel ist so gut wie weg. Natürlich hab ich ihn zum Taxi geholfen, kein Ding. Aber es war hart wie schnell es doch jetzt alle geht.

Die Nacht hab ich bis auf drei Stunden genutzt, die habe ich mit Schlaf gefüllt um die „offiziellen“ Gänge des nächsten Tages (Montag) machen zu können, damit wir (Dienstag) vorbereitet fliegen können.
Ich habe im Wohnheim Bescheid gesagt und man konnte unsere „Panik“ nicht verstehen. Aber man hat uns geholfen mit Taxi rufen und allem Drum und Dran. In der Uni haben wir Bescheid gesagt und man hat es akzeptiert. Uns Deutschen war es wichtig eine Re-Entry-Erlaubnis zu haben, damit wir, wenn es sicher ist, wieder als Student zurückkommen können. Aber was uns die Chefin dort rausgesucht hat, hätte uns mindestens 4 Stunden Zeit gekostet, die Zeit hatten wir nicht, wenn wir abends noch den Bus zum Flughafen nehmen wollten. Der hat sich dann aber auch auf um 15 Uhr verschoben, sonst käme kein anderer. Soweit ich weiß, soll es auch der Letzte gewesen sein. Also hastig alle gepackt.. Und das war schwer. Was lässt man zurück? Was braucht man? Kommt man zurück? Was wenn nicht?
Ich hab eigentlich nur Unterlagen, Winterklamotten eingepackt, der Rest ist mit mir wichtigen Dingen gefüllt worden. Keine Zeit um Pakete zu packen.
Um 15 Uhr nehmen wir auch den Bus, ohne Caros Freud, der aber einen Flug in den Süden genommen hat und im Bus war auch einer von der Uni, der für uns sorgt. Er hat seine polnische Frau und Kind zum Flughafen gebracht, bleibt aber selber im Land.

Damit waren die brenzligen Sache geklärt und wir waren am Flughagen und hatten noch 15 Stunden zu überbrücken. Das hat man mit WiFi-Internet und aktuellen News gemacht, Gespräche mit Chinesinnen, das deutsche Radio hat mich angerufen uns interviewt und man hat versucht zu schlafen. Aber selbst das hat kaum funktioniert, weil es noch Problem mit den Tickets gab. Es wurde nicht abgebucht und wir haben den Eltern in D-Land gesagt sie mögen da mal Druck machen. Angeblich hätte Sophia die falschen Kreditkartendaten eingegeben, wodurch nichts abgebucht werden konnte. Lüge, da sie alle zweimal kontrolliert hat und ich auch, zudem sollten wir ne Kopie ihrer Karte einschicken, wo alle Zahlen korrekt drauf stehen. Zudem hieß es, dass der Wert nicht von der Kreditkarte angezogen werden konnte, zu hoch. Dann hat man es von Caros Mutter angezogen und wir waren offiziell im Kartenbesitz. Allerdings für den zweiten Flug drei Stunden später war.

Dann mit zwei härteren Nachbeben in der Nacht am Flughafen -Tokyo macht echt um 22 Uhr dicht und erst um 8 auf, uns wurden aber Schlafsäcke und Decken gegeben- haben wir alles überstanden und mussten uns nun um die Re-Entry kümmern, aber im Endeffekt war ach das kein Problem und um 13.10 am 15.03 sind wir geflogen und somit der radioaktiven Wolke genau entkommen.
In Kuala Lumpur mussten wir umsteigen und wir haben die News gecheckt. Es war grausam. Zwar sind wir in Sicherheit, aber was ist mit unseren Leuten. Über Facebook erfährt man einiges, aber nicht alle sind dort.
Von dort ging es dann mit weiteren 13 Stunden nach Frankfurt unsere Eltern waren alle da und ich konnte die Tränen, die ich seit dem Landeanflug hatte echt nicht mehr zurückhalten. Ich war sicher, aber mein Herz ist zurückgeblieben. Ich wollte sofort zurück ins Flugzeug. 6 Stunden Autofahrt in den Norden und nun sitze ich hier, ohne Internet, vor der Glotze, und mein Kopf bestätigt mir das es gut war zu fliehen. Aber mein Herz schreit noch immer. Wenn ich beim Nachbar ins Internet gehe, dann schau ich wer was in Japan macht, ob alle sicher sind. Man hat das Gefühl jemanden verraten zu haben. Erschreckend ist auch mein Gefühl, das es nun alle soweit weg ist, es berührt mich nicht mehr. Aber ich weiß genau, das sich nun in diesem Moment eine Sperre errichtet habe und mein Gefühlsausbruch noch bevor steht. Ich habe Angst um Japan, um meine Freunde um meine „Familie“ dort. Ich weiß nicht, wie meine Zukunft, das nächste Semester aussieht, ich weiß gar nichts. Ich kann nur das Beste hoffen, und selbst das scheint im Moment eher schlecht zu sein. Und ich kann nichts tun, ich kann nicht für meine Leute da sein.

Nachtbemerkung: Shô ga nai, heißt übersetzt soviel wie „Da kann man nichts machen“ „Passiert halt“. Mit diesem Spruch habe ich mich über Wasser gehalten uns die recht verschlossene Mentalität der Japaner übernommen. Es ist auch vorher schon zu meinem Lebensmotto dort geworden, und so bitter es ist, ich weiß, bzw. gehe stark davon aus, dass Japan so denkt und sollte es, was keiner hofft, zum GAU kommen, die Japaner es als Schicksalsschlag akzeptieren und wieder aus ihrer Asche neu und stark entstehen. „Man kann nichts machen, wir müssen damit leben und machen es jetzt wieder besser.“

1 Kommentar: