Samstag, 2. April 2011

Back to Tokyo? 3 Wochen danach

Nun ist es schon unglaublich lange 3 Wochen her, dass es in Japan das Erdbeben, Seebeben, dadurch Tsunami war und nun die atomare Gefahr gibt. Mich hat es sicher nach Deutschland verschlagen, aber trotzdem stellt sichjetzt langsam die Frage: Soll es wieder zurück gehen?
Die erste Antwort auf die Frage ist von dem meisten mit einem klaren "NEIN!" beantwortet. Aber diejenigen haben dort nicht gelebt, bzw. haben ihr Jahr nicht einfach unterrochen. Das zweite Semester beginnt und die Zeit der Entscheidung drängt. Ich will es für mich mal sortiert aufschreiben, was dafür und was dagegen steht.

Was spricht GEGEN eine Rückkehr:
- die atomare Bedrohung
- damit verbundne evetuelle Gesundheitsrisiken
- extra Fugkosten
- viele Freunde die nicht mehr mit zurückkehren
- das Leben hat hier in D-Land bereits schon wieder alltägliche Formen angenommen

Was spricht FÜR eine Rückkehr:
- Ausbildung weiter durchziehen
- grobe Einschätzung der Kosten meines Plan Bs (s.u.), welcher im Falle eines Hierbleibens eintritt, sind höher als die Kosten eines extra Fluges
- Freunde die man unverabschiedet zurückgelassen hat
- Sachn die zurückgealssen wurden
- die einfache Sehnsucht zurückzugehen, weil man glücklich war
- atomare Bedrohung: im Falle eines Falles sind die Risiken für Toyko nicht abschätzbar, und können dementsprechend auch gering ausfallen und man ärgert sich "umsonst" in D-Land geblieben zu sein
- aufgrund der Tatsache das einige Kommilitoninnen nicht zurückgehen die Möglichkkeit als einzige Deutsche mit allen zu reden -> Sprachlevel up

Als Hauptpunkte muss man natürlich zum einen die atomare Bedrohung, aber auch zum anderen die Liebe zum Land und die Ausbildung gegenüberstellen. Beides erscheint mir als gleichwertig und somit ist theoretisch die Entscheidung anhand der Quantität an Argumenten gefallen.
Es ist aber jedoch nicht so, dass dies allein wichtig ist. Es besteht einerseits die Möglichkeit des Schiebens. Sprich: uns Rückkehrern ist es erlaubt ein Semester Pause zu machen und im Sommer zu gehen. In meinem Fall sehe ich das als unsinnig an, da ich mit dem Studium nahezu fertig bin und damit unnötig am Ende aufschiebe. Zudem sehe ich da auch weitere Kosten die nicht abgeschätzt werden können und das Problem in Fukushima muss auch nicht beseitigt sein. Ehrlich gesagt, sehe ich bis zu dem Zeitpunkt in einem halben Jahr eine gleichbleibende Situation. Zudem wäre ein erneuter Einstieg nach einem halben Jahr ein komplett neuer Startpunkt. Das Sprachlevel wird sinken. Ich persönlich habe genau jetzt in den Semesterferien losgelegt, habe nur noch geredet, Mut gefasst, Aktionen mitgemacht... Das alles müsste fast nochmal erarbeitet werden. Zudem werden auch nahezu gleiche Fächer in der Uni angeboten.
Anderseits besteht für mich der Plan B, sofern ich nicht jetzt zurückgehe. Dadurch dass ich alle geforderten Module bereits absolviert habe, würde ich mich in diesem beurlaubten Semester auf Praktikasuche begeben und auch machen. Damit schließe ich mein Studium weiter ab und beende es mit der Bachelorarbeit. ABER: ich müsste mindestens einen Monat Auslands-Bafög ad hoc zurückzahlen, aber auch noch ungefähr zwei Mieten in Japan zahlen, damit sind die Spontankosten sehr hoch. Ob mir im beurlaubten Semester Bafög zusteht ist ungewiss, müsste beantragt werden und bis das durch ist vergeht auch viel Zeit. Zudem ist die Wohnungsfrage ungeklärt. Wo kann ich spontan wohnen? Wenn ich Praktika mache, wo und wo wohne ich dann? Lohnt sich eine eigene Wohnung/WG? Grob übeschlagen -ohne Kalkulierung von Versicherungen und anderen Kosten wie Handy etc- ist Plan B zwar eine Option, aber im finanziellen Sinne die schlechtere.

Weiterhin sind die emotionalen Faktoren wichtig. Auf Seiten die Freunde in Japan. Aber viel wichtiger, die Familie und Freunde in Deutschland die sich Sorgen machen. Wie ich den meisten von ihnen schon erzählt habe, istd er Druck und die Sorge aus D-Land das Schlimmste gewesen was in den entscheidenen Tagen passiert ist. Die Sorge der Eltern, die unzähligen Anfragen bei Facebok oder StudiVZ oder einfach per Mail oder Skype.
Spontan gefragt würde die eine Hälfte sagen: du wirst die richtige Entscheidung treffen, die andere Hälfte sagt: ich kann nicht verstehen warum du zurückwillst. Und da ist das Problem, keiner setzt sich mit dem Dilemma näher auseinander. Gut, diese Situation ist bisher nicht gewesen und wünscht man auch keinem, aber man wünscht sich schon eine Empfehlung. Die Uni erteilt keine. Was an sich auch verständlich ist: würde man sie annehmen und dann würde etwas passieren, könnte man die Schuld auf diese schieben. Diese Verantwortung liegt allein bei mir und meinen Mädels die auch hapern. Aber trotzdem erhofft man sich jemand Objektiven der weitere Sichtweisen aufzeigt, weil, und das ist mir auch absolut bewusst, wir können nicht objektiv sein.
Dazu dufte ich mir den Satz anhören "Wie kannst du nur so dumm sein und mit offenen Augen in ein offenes Messer laufen wollen. Es dir dann auch in die Niere hauen und schön langsam daran zu Grunde gehen wollen." Der Satz saß, und auch gerade weil in meinen Augen NULL Verständnis für meine Situation darin war. Kombiniert wurde das Ganze mit dem Vorwurf -so ist meine Auffassung des Gespräches gewesen- dass ich mir alles schön rede und unrealistisch an die Sache rangehe. Jein, zur Hälfte widerspreche ich. Natürlich will ich es mir schön reden, bei mir hängt auch an dem Untergang Japans mehr dran als bei anderen, aber man hat mir in der Universität beigebracht, und das tue ich schon unbewusst, Nachrichten und Texte kritisch zu betrachten. Und deshalb nutze ich meine Möglichkeiten weitesgehend und benutze Deutsche, Japanische und Amerikanische/ Englische Quellen. Und von daher ist eine Schlussfolgerung eindeutig: Japanische Nachrichten sind zu infomationsarm und beruhigend und Deutsche sind zu reißerisch. Die deutsche Politik nennt zwar Tatsachen, aber gerade was Messwerte oder Behauptungen wie "Radioaktive Strahlung steigt" oder "Radioaktivität in Nahrungsmitteln gefunden" sind nicht haltbar. Es wird lediglich von Erhöhung gesprochen, jedoch keinerlei Vergleichswerte angegeben. In den meisten Fällen, zumindesten ist mir kein anderer Fall bekannt, handelt es sich alles um Erhöhungen im nicht gesundheitsschädlichen Bereich, sprich, der Verzehr des Spinates würde erst nach 30 Jahre gefährlich werden oder die Werte steigen in einem Bereich 8 Stellen hinter dem Komma. Kurz, realitätsfern bin ich durchaus nicht und kann mir das von Deutschen, welche nur deutsche Nachrichten verfolgen, nichts vorwerfen lassen.
Natürlich sollten radioaktiven Atoma nicht "in freier Natur" vorhanden sein, aber es ist an sich nicht schlimm. Wiederum anders betrachten ist Tepco mit ihren Messfehlern auch keine Hilfe im Bereich zuverlässiger Daten. Man kann nur raten wo der wahre Mittelweg ist. Andererseits: dadurch dass kaum negative Meldungen kommen, ist es gut. Ich denke jeder kann zustimmen, dass neue Nachrichten in D-Land nicht annähernd so schnell verbreitet werden wie schlechte.
Dazu kommen dann auch noch Mails von Freunden und der Uni in Tokyo. Von professorischer Seite dort, heißt es, dass man sich sicher fühlt und auch das Leben, inklusive irgendwelcher Strahlenwerte, wie bisher ist.

Alles zusammengefasst zeigt die offensichtlichen Vor-und Nachteile, Optionen und Wertungen die in die ganze Situation hineingehen. Von den Fakten ist die Lage sicher einfacher zu entscheiden, aber die emotionale Werte erschweren die Entscheidungen um ein Mehrfaches.
Ich möchte nicht direkt um Meinungen fragen, aber Anregungen, Kritik, Hinweise auf Denkfehler, Datenfehler oder neue stark zu beachtenden Neuigkeiten wären schön. Ich denke es ist offensichtlich das ich mich mit meiner Entscheidung schwer tue, aber allein das Aufschreiben hat mir ein klareres Bild über die Situation gegeben und gezeigt wo meine Prioritäten liegen....
Trotzdem weiß ich noch nicht weiter.

4 Kommentare:

  1. Auch wenn ich zum Zeitpunkt des Erdbebens nicht in Japan war, beschäftigt mich in vielen Punkten ja dasselbe Problem. Vor allem was die Sorge der Familie betrifft.
    Aber im Grunde denke ich persönlich, dass es im nächsten halben Jahr weder eine deutliche Besserung noch Verschlechterung bezüglich der Radioaktivität geben wird. Insofern finde ich es fraglich, wie viel Mehrwert das halbe Jahr Pause hätte... Zumal im Moment noch die nordöstlich bzw. nordwestlichen Winde vorherrschen, die erst im Sommer, so zur Monsun/Taifun-Zeit irgendwann drehen werden. Und wer weiß, was dann noch in der Luft liegt an atomaren Teilchen und wie viel davon Richtung Tokyo gespült wird. Von der Warte aus betrachtet finde ich - trotz Stromsparmaßnahmen und teilweise Lebensmittelkürzungen in den Supermärkten - radioaktiv gesehen jetzt fast schon sicherer als im nächsten Semester...
    Na ja, ich glaube, für mich persönlich überwiegen die Bindung an das Land, die Menschen und mein persönliches Gefühl der Verpflichtung zu meinem Studienplan (gut, uns wurde die Option mit der halbjährigen Pause gar nicht erst gestellt. Aber ich glaube, ich hätte es nicht wahr genommen, auch wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte).
    Trotzdem kann ich die, die sagen, dass sie erst mal hier bleiben oder ganz hier bleiben wollen, auch verstehen. Ist ja nicht so, dass kein Risiko dabei wäre.

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  2. Zu deinen Argumenten habe ich nicht mehr viel hinzuzufügen, ich wollte dir jedoch noch einen Gedankengang bzgl deiner Familie mitgeben.
    Natürlich sind die dagegen dass du fährst, ob man es nun Hysterie oder Besorgnis nennt. Wenn du das "ignorierst", mag es vielleicht eine Zeit lang böses Blut geben. Wenn du aber wegen ihnen nicht fährst und es irgendwann bereust, könnte es sein, dass du ihnen deswegen gram bist.
    Die emotionale Zwickmühle wirkt also in beide Richtungen.
    Letztendlich musst du auf dein Gefühl hören, denn die potentielle Gefahr kannst du trotz aller Informationen nicht 100%ig abwägen.

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  3. Von mir käme kein "böses Blut". Ich wäre bestimmt nicht glücklich, wenn du wieder nach Japan gehst, aber ich kenne deine Liebe und Sehnsucht zu diesem Land und deshalb würde ich es akzeptieren.Richtig....hör auf deinen Bauch!!!!Du bist alt genug und die Risiken kennst du. Ich liebe dich trotzdem....nicht vergessen ;o)

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  4. Ich hab privat eine Mail bekommen, die ich der Öffentlichkeit nicht vorenthalten will:

    "Ich hab deine Soll-ich-oder-nicht-zurück-Probleme mal ganz anonym mit meinen WG-Leuten besprochen. Es steht 4:0 dafür, dass du zurück gehen solltest.
    Gründe? Ganz einfach.

    1. und wichtigster: Wieso sollte die Gefahr im September geringer sein als jetzt, wenn eh nicht abschätzbar ist, wie sich Fukushima entwickelt?!!
    Entweder es passiert was und du flüchtest dann. Oder es passiert nichts und du ärgerst dich 6 Monate mit Warten verschwendet zu haben.

    2. Wieso sollte man auf die Frühlings-Sommermonate verzichten und nochmal die doofe Regenzeit im Herbst/Winter ab September mit machen?!

    3.! Die Atomwolke kam in Deutschland eh schon an und regnete auf uns herab.
    Wir sind also eh schon alle so gut wie tot. ;)

    4. Selbst wenn deine Familie dagegen ist, dass du im April fährst, na und?
    Das schlimmst was passieren kann ist, dass sie dich danach ewig lang sticheln. Am Ende sehen eh alle ein, dass es ne tolle Erfahrung für dich war. Falls in Japan allerdings alles schief gehen sollte, lebst du wahrscheinlich eh nicht mehr lang genug, dass sie lange sauer auf dich sein können. ;)

    5. Ein Flug ist gefährlicher als der Aufenthalt dort.
    Und wenn man bedenkt, dass Flugzeuge so gut wie nie abstürzen ist die Gefahr also so gut wie Null.

    6. Andere (von unsrer Uni) sind doch auch noch da!

    7. Die Erfahrung leben!
    (Raus kommt dabei auch ne gute Story für die Trauerfeier zusammen mit der nackt-im-dritten-Stock-bei-Erdbeeben-Geschichte ;) )

    8. Fahr einfach nach Hakone und iss Unmengen an schwarzen Eiern. 7 Jahre mehr pro Ei, also reichts doch wenn du 7 isst. :)"

    weitere Antwort:
    "Ich denke deine Eltern/dein Vater sollte/n nicht so kurzsichtig sein. Mein Lieblingsargument ist der erste Grund. Wieso warten, wenn die Gefahr besteht am Ende sich ärgern zu müssen, weil nichts passiert ist.
    Und wenn du am Ende immer noch keine Entscheidung hast dann wirf ne Münze. Eine Seite steht für Japan und die Münze ist natürlich gezinkt ;)

    Und wenn sie jetzt eh 11,5 Millionen Liter verstrahltes Wasser ins Meer leiten haben eh bald alle das gleiche von Fukushima. Ob du hier in Atomwasserbadest oder dort ist egal. Verteilt sich ja.

    Deine Eltern müssen einfach begreifen, dass das In-Japan-Sein grade für dich so viel Wert ist und wichtig wie für andere ins Kino gehen oder der Garten oder kitschige Figuren sammeln. Wie Robin für Batman eben.

    Wenn du Kraft brauchst, klau mir welche ;)"

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