Zwar hat uns der Weg schon zweimal in mein altes Viertel geführt, aber heute hat Brian, mein alter Professor, Zeit für uns. Das Semester hat gestern offiziell begonnen und die Orientierungstage laufen. Ab morgen fängt der Unterricht an. Ach, da wäre ich gerne wieder dabei.
Wir haben uns artig beim Pförtner angemeldet und sind dann auf den Campus gelaufen. Marcel hat bei den jungen Ersties mit seinen Tattoos gehörig Eindruck gemacht. Sie hatten alle sehr große Augen. Schnurstracks bin ich zum alten bekannten Gebäude 4 gelaufen und in den dritten Stock gefahren, da wo ich das Kokusai-Center hatte, also das Center für Auslandsstudenten. Aber irgendwie sah es damals anders aus. Tatsächlich sind sie in das Gebäude 1 gezogen und es heißt nun Global Communication Center. Das Gebäude 1 gab es damals nicht. Es war ziemlich alt und ranzig und wurde während meiner Zeit abgerissen und neu aufgebaut. Also rüber ins andere Gebäude und höflich nachgehakt ob Brian schon da ist. Obwohl wir uns mit Frühstück und einem Abstecher bei Book-Off Zeit gelassen haben, sind wir natürlich überpünktlich. Aber nicht schlimm, ich schwelge gerne in alten Erinnerungen und erzähle Marcel was ich von damals kenne und was nicht, dass man damals mit uns ausländischen Studenten nie Englisch gesprochen hat und jetzt keiner mit uns Japanisch gesprochen hat.
Und dann kam Brian. Er ist ganz der alte, nur dezent älter. Die Begrüßung war herzlich. Er freut sich wirklich immer, wenn alte Studenten vorbei kommen. Man sieht es auch auf Instagram, wenn er Bilder mit ihnen postet. Zusammen sind wir über Campus spaziert. Es ist nicht der größte Campus, die Waseda oder Keio sind natürlich wesentlich größer, aber immerhin umfasst der Campus nun elf Gebäude. Das Gebäude mit der Mensa ist derzeit schon seit zwei Jahren im Umbau. Schade, ich hatte auf mein Lieblingsessen aus der Mensa gehofft. Die alten Gebäude mit den Schulungsräumen stehen noch unverändert und das Gebäude mit den Clubs, also den AGs, und meinem alten Fitnessstudio ist auch unverändert. Neu ist das Gebäude 11 wo anscheinend die Lehrkräfte ihre Räume haben. Und es gibt jetzt Honigbienen auf dem Campus. Da es eh einen kleinen Bach und angenehm viel Natur mit derzeit blühenden Kirschbäumen gibt, finde ich das super. Aber viel mehr gibt es eigentlich auch nicht zu sehen.
Wir haben uns gegenseitig ausgefragt zu unserem beruflichen Stand, bzw. was die Familie so treibt Der kleinen Sohn den ich mit vier Jahren oder so kennengelernt hab ist nun über 1,80m groß und studiert, die kleine Tochter bereitet sich auf die Eintrittsexamen der Unis vor. Brian ist seit mittlerweile 21 Jahren an der Uni angestellt und überlegt 2027 ein Sabbatjahr zu machen. Allerdings plant er da potenzielle Partnerunis zu besuchen. Und natürlich haben wir abgecheckt wer von unseren gemeinsamen Bekannten was treibt. Er hat so wie ich mit vielen den passiven Kontakt über die sozialen Medien uns zu denen die in Tokyo leben auch mehr persönlichen Kontakt. Er freut sich darüber, wenn die alten Studenten danach noch Freunde bleiben und so ein weltweites Netzwerk der Musashi entsteht.
Für Marcel war der ganze Spaß natürlich ein wenig langweilig, da er keine Erinnerungen zu damals hat. Und im Mini-Fitnessstudio wollte er am liebsten gleich loslegen. Die Jungs da haben sehr ängstlich bezüglich seiner Statur geschaut. Im Coop, dem Uni Laden, hatte ein Mädchen hinter ihm so sehr Angst, dass es aussah, als wolle sie weinen. Brian hat es locker gesehen, es sei Vorbereitung für das Leben.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen sind wir dann auch weiter gezogen. Leider war Sato-san, der Leiter des Kokusai Centers nicht da, sonst wäre er auch dabei gewesen. Der Abschied von Brian war leicht, aber der Abschied von der Musashi nicht. Es war einfach das beste Jahr meines Leben und hat mich in so vielen Dingen geprägt.
Nach dem emotionalen Teil des Tages sind wir nach Ikebukuro um die letzten gewünschten Mitbringsel zu besorgen. Wir haben viel bekommen, mussten aber nochmal nach Akihabara weil das Don Quijote hier nicht alles hatte. Dabei haben die wirklich jeden Scheiß. Damit haben wir zwei unglaublich überlaufende Viertel besucht und mein Stresslevel war ganz oben. Aber wir sollten jetzt alles haben. Bestimmt ist es bei den anderen Japanbesuchern auch so, man hat das Gefühl nur für andere einzukaufen, aber nimmt sich selbst nichts mit. Unseren letzten ganzen Tag wollen wir damit starten die Koffer neu zu sortieren um zu checken, dass alles passt. Zur Not müssen wir dann doch noch den Pikachu-Koffer kaufen. Irgendwie kann ich mir schlimmeres vorstellen....
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